Mensaner: Interview mit dem Rudertinger Bürgermeister Rudi Müller

Seit acht Jahren ist Mensaner Rudi Müller Bürgermeister von Ruderting, einer kleinen Gemeinde am Rande des Bayerischen Waldes.
Wie er von Mensaner-typischen Eigenschaften profitiert erzählt er Karin Polz.

Rudi, wir sitzen für das Interview hier im Rathaus von Ruderting, denn du bist Bürgermeister. Ein untypischer Beruf für einen Mensaner?

Nicht in Niederbayern! Im Landkreis Passau gab es einige Jahre lang noch einen Bürgermeister, der auch bei Mensa ist. Mittlerweile ist der aber im Ruhestand.

Was magst du denn an deinem Beruf?

Ich liebe die Abwechslung zwischen Themen, in die man sich ganz tief reinarbeiten darf, und Sachen, die man schnell und eher oberflächlich entscheiden kann.

Die Abwechslung hatte ich in meinen früheren Berufen nicht. Ich war mehr als zehn Jahre Sondersachbearbeiter und dann Vergaberechtsprüfer bei der Stadt München; da muss man sich in das ganz konkrete Sachgebiet ganz tief reinarbeiten.

Später war ich Geschäftsleiter in einer niederbayerischen Gemeinde, da öffnet sich zwar schon ein weiteres Feld an Themen. Aber man geht auch immer in die Tiefe, weil ja nur die komplizierteren, problematischeren Fälle beim Geschäftsleiter landen. Als Bürgermeister wird man nicht nur mit Problemen konfrontiert, da gibt es auch schon mal ein Lob.

Also ist Bürgermeister ein guter Beruf, wenn man hochbegabt ist?

Ich sehe mich gar nicht als hochbegabt. Ich bin halt Mensaner. Bei Mensa trifft man immer interessante Leute, man hat immer gleich einen Anknüpfungspunkt. Diese Aufgeschlossenheit der meisten Mensaner, sich auf neue Menschen und Themen einzulassen, hilft auch als Bürgermeister, denn man muss ja mit vielen Leuten reden. Etwas neugierig sollte man da schon sein. Und auch Flexibilität ist in meinem Beruf sehr hilfreich.

Wissen die Rudertinger denn, dass du bei Mensa bist?

Nein, ich glaube nicht. Ich thematisiere das ja auch nicht. Mein früherer Chef, der wusste wohl davon, jedenfalls hat er mal so was gesagt wie: „Ich weiß schon, dass Sie in so einem Schnell-Lese-Club sind.“ Aber viele wissen, dass ich Schach spiele, das hat ja ein ähnliches Image.

Schach und Mensa – das hängt ja bei dir sowieso eng zusammen, oder?

Ja, über Schach bin ich zu Mensa gekommen. Wir haben bis Niederbayernliga-Niveau gespielt. Da habe ich damals auch einen tschechischen Mensaner kennen gelernt. Der hat dann das Thema aufgebracht.

Einen IQ-Test wollte ich sowieso schon immer mal machen, also bin ich tief in den Bayerischen Wald zum Mensa-Test gefahren. Als ich den bestanden hatte, war es dann auch nur logisch für mich, Mensa beizutreten, schon aus Neugier: Ich wollte mir einfach die anderen Ms mal anschauen.

Und, waren die so interessant, dass du dich langfristig für Mensa begeistern konntest?

Ich bin außerhalb des Passauer LocSec-Gebiets gar nicht aktiv bei Mensa. Regionale Veranstaltungen besuche ich aber gerne. Mensa ist für mich total entspannend. Da erwartet keiner was. Da kannst du dich unterhalten, aber du kannst auch einfach nur zuhören.

Bei Mensa nehmen dich alle so, wie du bist. Und da kommst du auf Themen, auf die würdest du sonst nie kommen.

Bei den Themen hast du ja selbst auch einiges beizusteuern. Du bist ja nicht nur Bürgermeister, sondern machst auch darüberhinaus einiges.

Ja, das stimmt, ich mag die Herausforderung. Das habe ich schon bei meinem Job in München gemerkt. Damit es nicht langweilig wird, habe ich dann nochmal BWL studiert und in einem Jahr zwei Abschlüsse auf mein erstes, duales Studium draufgelegt.

Als Bürgermeister wird einem zwar nicht langweilig, aber ich mache das ja jetzt schon seit acht Jahren und da sind die Abläufe jetzt alle schon gut geregelt, sodass ich noch eine neue Herausforderung annehmen konnte. Jetzt gebe ich in meiner Freizeit ungefähr drei, vier Tage im Quartal Fortbildungskurse in der Verwaltungsschule in München. Außerdem bin ich Schöffe am Landgericht in Passau. Das sind immer sehr interessante Verhandlungen und vor allem ein Gebiet, mit dem ich sonst keine Berührungspunkte habe.

Ich gehe da oft raus und denke: Wir können alle froh sein, wenn wir in unserem Leben nicht einfach mal falsch abgebogen sind. Das kann schnell passieren. Im Gegenzug ergeben sich oft unerwartete Chancen im Leben, wenn einen die richtigen Leute begleiten und anleiten.

Hast du dann überhaupt noch Freizeit? Als Bürgermeister hast du ja bestimmt schon einen vollen Terminkalender?

Also Schach spiele ich erst wieder, wenn ich in Rente bin, habe ich beschlossen. Rätseln am Handy vor dem Fernseher, das ist momentan mein kleines Ausgleichshobby. Es stimmt schon, als Bürgermeister hat man einen eher ungeregelten Tagesablauf, da sitze ich nicht nur um die vierzig Stunden die Woche am Schreibtisch, da ist auch mal am Wochenende ein Festumzug, dann ist abends eine Sitzung.

Aber man darf das nicht alles nur als Arbeit sehen. Ich gratuliere jungen Eltern und Jubilaren, ich gehe zum Seniorentreff, und vor Weihnachten fahre ich die Weihnachtspäckchen selber aus, die alle Über-80-Jährigen in der Gemeinde bekommen.

Kennst du alle in der Gemeinde?

Mhm, ich würde sagen, von den 3.150 kenne ich ungefähr 3.000. Und sie kennen natürlich auch mich.

Vor meiner Bürgermeisterzeit war das nicht so: Meine Frau stammt zwar aus Ruderting und wir wohnen mit unseren beiden Söhnen seit mehr als 30 Jahren in der Gemeinde. Aber ich war nie im Wirtshaus, ich war in keinem Verein. Seit ich Bürgermeister bin, bin ich allerdings in jedem Rudertinger Verein, außer beim Frauenbund.

Was steht denn auf deiner To-do-Liste für deine Gemeinde? Bis 2026 bist du gewählt. Da hast du dir sicher noch einiges vorgenommen, oder?

Klar! Unser Glück ist, dass wir als Gemeinde finanziell sehr gut dastehen, da haben wir in der Vergangenheit viele richtige Entscheidungen getroffen. Der Fokus lag in meinen ersten Jahren als Bürgermeister auf der CO2-Einsparung und auf dem Breitband-Ausbau, da sind wir schon sehr weit.

Wir haben mittlerweile fast alle gemeindlichen Gebäude wie Rathaus, Schule, Feuerwehrhaus und Bauhof energetisch saniert. Jetzt sind wir „draußen“ fast fertig, jetzt können wir auch „drinnen“ Sachen in Angriff nehmen: Das große Stichwort ist Digitalisierung, da steht die Gemeinde-Homepage demnächst an, außerdem ein Bürger-Informationsportal. Man muss wissen: Mein Vorgänger hatte nicht mal einen Computer.

Das sind in der Tat noch große Projekte. Aber du bist im Landkreis ja auch dafür bekannt, dass du unkonventionelle kleine Projekte förderst, die das Gemeindeleben schöner machen, erzähl mal davon!

Du meinst so was wie das Stöberstübchen oder die Mitfahrbankerl? Ja, das stimmt. Wir haben zum Beispiel eine Second-Hand-Idee gefördert: Ein kleines ehrenamtliches Team nimmt Gebrauchtwaren wie Geschirr, Schmuck, Deko, Bücher entgegen und verkauft sie im Stöber-Stübchen.

Ich habe mich dafür eingesetzt, dass die Gemeinde die Mietkosten für den Verkaufs- und Lagerraum übernimmt. Das läuft: Die Sachen werden nachhaltig wiederverwendet statt weggeschmissen zu werden. Ruderting hat einen neuen Laden, zu dem auch viele von auswärts kommen, und die Erlöse werden gemeinnützigen Zwecken in der Region gespendet.

Und die Mitfahrbankerl?

Die haben wir mit ein paar anderen Gemeinden im Rahmen eines Förderprojekts für ländliche Entwicklung eingerichtet. Weil der öffentliche Nahverkehr hier nicht so gut ist, gibt es jetzt offizielle Anlaufstellen, an denen man warten und durch ein Schild anzeigen kann, dass man eine Mitfahrgelegenheit sucht. Für mich ist es das, was das Schöne am Bürgermeistersein ausmacht: Es ist total abwechslungsreich und ich kann viele Weichen stellen und vieles entscheiden.


Wer sind "die Hochbegabten" eigentlich?

Mensa ist ein vielfältiger Verein. Hochbegabte gibt es quer durch die Gesellschaftsschichten. Manche entsprechen dem Stereotyp des "superschlauen Nerd", die meisten haben eher alltägliche Berufe. Einige sind besonders erfolgreich, andere nicht. Mensaner können jung wie alt, extro- wie introvertiert, bunt und schillernd oder eher unauffällig sein. Alle hochbegabten Menschen sind unabhängig von ihren polititischen, religiösen oder sexuellen Ansichten und Vorlieben im Verein willkommen. Hin und wieder werden wir unseren Blog nutzen, um einzelne Mitglieder und ihr Leben vorzustellen und somit einen kleinen Einblick in die Vereinsvielfalt zu geben.